Was tun, wenn man schnell einen Facharzttermin braucht?
Warum bekommt man in Deutschland nur schwer einen Facharzttermin?
In Deutschland dauert es oft Wochen oder Monate, bis Patient:innen einen Termin bei einem Facharzt erhalten. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Zum einen gibt es schlicht zu wenige Fachärzte, besonders in ländlichen Regionen. Die hohe Nachfrage trifft auf ein begrenztes Angebot, was zu langen Wartezeiten führt.
Deutschland bildet nicht genug Ärzte aus, z.B. durch die Zugangsbeschränkungen (Numerus Clausus) bei den Medizin-Studiengängen. Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen (Bürokratie, unzureichende Vergütung) steigen viele Fachkräfte aus. Viele wechseln in die Pharmaindustrie, Medizintechnik oder Unternehmensberatung, weil dort besser bezahlt wird und die Arbeitsbelastung geringer ist.
Gleichzeitig gehen viele ältere Ärzte in den Ruhestand – und der Nachwuchs reicht nicht aus, um diese Lücken zu schließen. Gesellschaftliche Trends wie Teilzeitarbeit und frühere Berufsaussteiger vergrößern die Lücken weiter.
Hinzu kommt, dass viele Fachärzte zwischen gesetzlich und privat Versicherten unterscheiden. Privatpatient:innen bringen ihnen höhere Vergütungen und werden deshalb häufig bevorzugt behandelt. Gesetzlich Versicherte müssen dagegen oft länger warten.
Ein weiteres Problem ist die Budgetierung: Ärzte dürfen nur eine bestimmte Anzahl gesetzlich versicherter Patient:innen pro Quartal voll abrechnen. Sobald dieses Budget erreicht ist, sinkt der finanzielle Anreiz, neue Patient:innenn schnell aufzunehmen. Zusätzlich verschärfen bürokratische Hürden wie Überweisungspflichten (bei hausarztzentrierter Versorgung) und die ineffiziente Organisation von Terminservicestellen die Lage.
Auf der anderen Seite steigt die Anzahl von Patient:innen. Durch den demographischen Wandel ist der Anteil der Bevölkerung im Alter von über 60 Jahren stark gestiegen, was zu mehr Behandlungsbedarf führt. Chronische Krankheiten haben in den letzten Jahren zugenommen. Vor allem psychische Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen treten vermehrt auf. Durch die Migration und Zuwanderung aus wirtschaftlich schwachen oder politisch instabilen Gebieten hat sich der Bedarf an Behandlungen und Therapien ebenfalls erhöht.
Gleichzeitig hat sich das Verhalten der Patient:innen in den letzten Jahren geändert. Viele gehen früher und häufiger zum Arzt, auch für Check-Up-Untersuchungen. Durch neue Therapien und mehr Gesundheitsbewusstsein vieler Patient:innen steigt das Interesse an medizinischen Behandlungen auch in weniger dringenden Fällen.
Insgesamt ist das Problem systemisch: Eine alternde Bevölkerung, der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen und ein wenig flexibles Abrechnungssystem führen dazu, dass viele Patient:innen in Deutschland lange auf benötigte Facharzttermine warten müssen.
Bei welchen Fachärzten bekommt man schneller einen Termin?
Die Wartezeit unterscheidet sich je nach Fachrichtung. In der folgenden Tabelle finden Sie durchschnittliche Wartezeiten bei einem Arzttermin.
Facharzt | Durchschnittliche Wartezeit |
---|---|
Augenarzt | 2-4 Wochen |
Orthopäde | 3-5 Wochen |
Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO) | 3-6 Wochen |
Dermatologe (Hautarzt) | 2-6 Monate |
Gynäkologe | 3-8 Wochen |
Kardiologe | 4-8 Wochen |
Neurologe/ Psychiater | 3-12 Monate |
Endokrinologe | 3-9 Monate |
Rheumatologe | 6-12 Monate |
Schmerztherapeut | 6-12 Monate |
Kinder- und Jugendpsychiater | 6-18 Monate |
Die Zahlen bilden den Durchschnitt über ganz Deutschland. Aber es gibt große regionale Unterschiede.
In ländlichen Regionen (z.B. in Ostdeutschland oder dünn besiedelten Gegenden Bayerns und Niedersachsens) sind die Wartezeiten deutlich länger. In Großstädten (z.B. Berlin, Hamburg, München) kann es etwas kürzer sein, aber auch dort gibt es bei bestimmten Fachrichtungen (z.B. Psychiatrie, Rheumatologie) extreme Engpässe.
Was kann man tun, um einen Termin schneller zu bekommen?
Für viele Patient:innen ist das Warten auf den Facharzttermin frustrierend, vor allem wenn Beschwerden akut sind. Doch es gibt durchaus Strategien, mit denen man schneller einen Termin erhalten kann.
- Hilfe beim Hausarzt holen
Gehen Sie zunächst zu Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt. In vielen Fällen (auch bei leichten psychischen Beschwerden) kann der Hausarzt Ihnen die nötige Hilfe leisten und die Medikamente verschreiben, die Sie brauchen. Auch eine Krankschreibung/eAU kann ein Hausarzt problemlos ausstellen. - Überweisung durch den Hausarzt
Hausärzte kennen das regionale Facharzt-Angebot gut und können Ihnen gezielt weiterhelfen – oft auch durch persönliche Kontakte zu Fachkollegen. Außerdem kann der Hausarzt medizinisch einschätzen, ob ein Dringlichkeitsvermerk auf der Überweisung notwendig ist. - Überweisung mit Dringlichkeitsvermerk ("Hausarztvermittlung")
Bitten Sie bei medizinischer Notwendigkeit um eine Überweisung mit einem sogenannten Dringlichkeitscode. Damit haben Sie Anspruch auf einen Termin innerhalb von vier Wochen – vermittelt über die Terminservicestelle. Notfalls bekommt man sogar einen Termin in der Krankenhausambulanz. Achtung: Der Termin kann dann geographisch weiter entfernt sein. - Die Terminservicestelle (116117) nutzen
Die bundesweite Vermittlungsplattform hilft gesetzlich Versicherten, einen zeitnahen Termin bei einem Facharzt oder in einer Klinik zu bekommen – vor allem mit Dringlichkeitsüberweisung. - Unterstützung durch die Krankenkasse anfordern
Viele Krankenversicherungen (sowohl gesetzliche als auch private) bieten inzwischen einen eigenen Terminservice für Facharztbesuche an – unabhängig von der offiziellen 116117-Stelle. Dieser Service ist oft weniger bekannt, aber sehr hilfreich: Ihre Krankenkasse kann direkt mit Vertragsärzten sprechen, Termine priorisieren oder Sie an Praxen vermitteln, die noch Kapazitäten haben. Rufen Sie einfach beim Kundenservice Ihrer Krankenkasse an und fragen Sie gezielt nach diesem Angebot. - Offene Sprechstunden bei Fachärzten nutzen
Viele Facharztpraxen bieten feste Zeiten an, zu denen gesetzlich Versicherte ohne Termin behandelt werden. Diese offenen Sprechstunden sind meist stark frequentiert – kommen Sie daher früh und bereiten Sie sich auf längere Wartezeiten vor. - Bei akuten Beschwerden auf die Akutsprechstunde bestehen
Fachärzte sind verpflichtet, für akute Fälle kurzfristige Termine bereitzuhalten. Wenn Ihre Beschwerden akut sind, sagen Sie das deutlich – idealerweise mit Hinweis auf die Einschätzung des Hausarztes (s. Überweisung mit Dringlichkeitsvermerk). - Mehrere Facharztpraxen parallel kontaktieren
Fragen Sie bei verschiedenen Praxen gleichzeitig an – telefonisch, per Mail oder über Online-Formulare. Bitten Sie darum, auf eine Warteliste für kurzfristige Absagen gesetzt zu werden. Je flexibler Sie in Bezug auf Tageszeit und Standort sind, desto eher ergibt sich eine freie Lücke – auch in benachbarten Städten oder Randzeiten (z. B. frühmorgens). - Online-Terminportale verwenden
Plattformen wie doctolib, jameda oder arzt-direkt bieten oft kurzfristige Online-Termine an. Prüfen Sie diese regelmäßig, da immer wieder neue Zeitfenster frei werden. - Videosprechstunde nutzen
Viele Fachärzte bieten heute digitale Sprechstunden per Video an – besonders in den Bereichen Dermatologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Innere Medizin und Allgemeinmedizin. Für erste Einschätzungen, Befundbesprechungen oder Folgetermine kann das eine schnelle und flexible Alternative zum klassischen Vor-Ort-Termin sein. - Nach einem Selbstzahlertermin fragen
Wenn Sie bereit sind, die Kosten selbst zu tragen, bieten manche Fachärzte sogenannte Privat- oder Selbstzahlertermine an. Diese können deutlich schneller verfügbar sein. - Facharzttermine auch während der Arbeitszeit wahrnehmen
Viele Praxen vergeben ihre Termine bevorzugt innerhalb der üblichen Arbeitszeiten. Wer bereit ist, einen Termin vormittags oder früh am Nachmittag wahrzunehmen, hat oft eine deutlich bessere Chance auf eine schnelle Vergabe.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben in vielen Fällen Anspruch darauf, medizinisch notwendige Arztbesuche während der Arbeitszeit wahrzunehmen – sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber offen darüber. Ein Attest der Praxis kann auf Wunsch ausgestellt werden. Alternativ können Sie sich bei akuten Beschwerden auch krankschreiben. - Fachärztliche Ambulanzen von Kliniken anfragen
Viele Krankenhäuser (besonders Unikliniken) haben ambulante Sprechstunden für spezielle Fachgebiete. Diese unterliegen nicht immer den gleichen Beschränkungen wie niedergelassene Praxen und bieten manchmal schneller freie Termine – vor allem mit Überweisung. - Bei Facharztzentren oder MVZs (Medizinischen Versorgungszentren) anrufen
MVZs verfügen über mehrere Ärzte pro Fachrichtung und haben oft mehr Flexibilität bei der Terminvergabe. Dort kommt man häufig schneller dran als in Einzelpraxen. Falls es sich um chronische Schmerzen handelt, können Schmerzkliniken oder Schmerztherapeuten eine schnellere Lösung bieten. Diese spezialisierten Einrichtungen haben oft höhere Kapazitäten für akute Behandlungen. - Osteopathen und Heilpraktiker aufsuchen
Wenn Sie nicht unbedingt auf eine ärztliche Behandlung angewiesen sind, kann es sich lohnen, auch einen Osteopathen oder Heilpraktiker aufzusuchen. Gerade bei Muskel-Skelett-Problemen oder Bewegungseinschränkungen können Osteopathen schnelle Hilfe leisten und oftmals auch ohne lange Wartezeiten Termine anbieten. Heilpraktiker bieten ebenfalls eine Vielzahl von Behandlungen (z.B. Akupunktur, manuelle Therapien), die eine ergänzende Unterstützung bieten können.
Beachten Sie aber, dass die Kosten für diese Behandlungen in der Regel nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden, aber oft von privaten Versicherungen. Manche gesetzlichen Krankenkassen bezuschussen jedoch diese Behandlungen in einem geringen Maße unter bestimmten Voraussetzungen. Fragen Sie daher direkt bei Ihrer Krankenkasse nach. - Private Kliniken und Privatpraxen in Betracht ziehen
Wenn die Wartezeiten in öffentlichen Krankenhäusern oder bei niedergelassenen Fachärzten zu lang sind, kann es sinnvoll sein, sich auch bei privaten Kliniken oder privatärztlichen Praxen umzusehen. Diese Einrichtungen haben oft kürzere Wartezeiten, da sie keiner Budgetierung durch die Krankenkassen unterliegen und somit mehr Kapazitäten für private Patient:innen bereitstellen können. Private Kliniken und Privatärzte setzen natürlich voraus, dass die Behandlungskosten privat getragen werden, es sei denn, Sie haben eine private Krankenversicherung, die die Kosten übernimmt.
Tipp: Denken Sie ggf. über die Anschaffung einer Zusatzversicherung nach, auch als gesetzlich Versicherter. Wenn Sie über eine Zusatzversicherung verfügen (z. B. für Heilpraktiker oder private Krankenbehandlungen), können Sie diese ebenfalls für eine schnellere Behandlung bei Privatärzten nutzen. - Auch Ärzte mit weniger guten Online-Bewertungen kontaktieren
Viele Patientinnen und Patienten meiden Fachärzte mit schlechten Bewertungen auf Portalen wie jameda oder Google. Doch nicht jede negative Bewertung ist aussagekräftig – manchmal geht es eher um Wartezeiten oder Kommunikationsstil als um die fachliche Qualität. Diese Praxen haben oft kürzere Wartezeiten, weil andere absagen. Wenn es dringend ist, lohnt sich ein Anruf – Sie können sich selbst ein Bild machen. - Immer freundlich, aber bestimmt auftreten
Sagen Sie klar, was Sie brauchen – z. B. „Ich habe starke Beschwerden und würde gern auf eine kurzfristige Warteliste kommen“ – aber bleiben Sie freundlich und respektvoll. Praxispersonal steht oft unter Stress: wer höflich, aber bestimmt auftritt, hat oft bessere Chancen auf einen schnellen Facharzttermin.
Wer in Deutschland versucht, einen Termin beim Facharzt zu bekommen, braucht oft vor allem eines: Geduld. Wochenlange Wartezeiten bei Ärzten bestimmter Fachrichtungen sind keine Seltenheit. Wenn man freundlich, flexibel und gleichzeitig organisiert vorgeht, kann sich die Wartezeit oft deutlich verkürzen.