Das deutsche Gesundheitssystem verstehen: Aufbau, Krankenversicherung, Patientenversorgung

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Das deutsche Gesundheitssystem ähnelt, so scheint es, in einigen Zügen durchaus einem Irrgarten: Auf welchen Prinzipien ist es aufgebaut? Wie wird die Patientenversorgung gewährleistet? Wir bringen Licht ins Dunkel und stellen Ihnen auf den folgenden Seiten die wichtigsten Strukturen und Beteiligten vor.

Häufige Fragen zum Gesundheitssystem in Deutschland

Warum besteht eine Versicherungspflicht?

Um eine medizinische Versorgung für jeden Einwohner, unabhängig von seinen finanziellen Mitteln, zu gewährleisten, ist die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse in Deutschland Pflicht. Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es die Möglichkeit, sich bei einer privaten Krankenkasse zu versichern, statt Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen.

Wie werden die gesetzlichen Krankenkassen finanziert?

Auch kurze Besuche bei Hausärzten oder Fachärzten können für Patient:innen schnell teuer werden. In Deutschland werden diese Kosten jedoch i.d.R. von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen: Die Beitragszahlungen der Versicherten und ihrer Arbeitgeber machen es möglich. Der Bund unterstützt die Finanzierung zudem durch Steuerzuschüsse.

Was ist das Solidaritätsprinzip?

Im Sozialversicherungssystem (inklusive Krankenversicherung) unterstützen sich alle gesetzlich Versicherten gegenseitig. Unabhängig vom Einkommen oder Gesundheitsstand – alle Mitglieder haben den gleichen Anspruch auf Behandlung im Krankheitsfall. Gewährleistet wird dies durch die Einzahlungen der Versicherten und deren Arbeitgeber. Beide zahlen einen festgelegten Prozentsatz des Gehaltes an die gesetzlichen Krankenkassen: Gutverdiener zahlen höhere Beiträge als Geringverdiener, alle genießen jedoch die gleiche medizinische Versorgung.

Welche Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen?

Die Behandlung, die ein Patient bzw. eine Patientin im Falle einer Krankheit erhält, muss dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegen. Das heißt, ausschließlich notwendige Behandlungen werden von den Krankenkassen übernommen.

Nicht alle Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen getragen. Kosten für bestimmte Arzneimittel müssen vom Versicherten (anteilig) selbst übernommen werden oder sind zuzahlungspflichtig.

Wie funktioniert die Selbstverwaltung im Gesundheitssystem?

Die Rahmenbedingungen der medizinischen Versorgung sind vom Staat vorgegeben. Alle weiterführenden Schritte, wie die Organisation und Ausführung, werden allerdings von den einzelnen Stellen, beispielsweise durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) der Bundesländer, oder die gesetzlichen Krankenkassen selbst verwaltet. Die gesetzlichen Krankenkassen ziehen auf Weisung des Staates die Versicherungsbeiträge ein.

Arten der Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV)...

übernimmt im Krankheitsfall die Kosten ihrer Versicherten. Die GKVen in Deutschland müssen alle Bürger bei sich aufnehmen, unabhängig von der gesundheitlichen oder finanziellen Situation, und Sorge dafür tragen, dass sie bei Bedarf medizinische Leistungen in Anspruch nehmen können. Derzeit sind ca. 73 Mio. Deutsche gesetzlich krankenversichert.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen zu gleichen Teilen in die Krankenkassen ein. Arbeitnehmer zahlen außerdem einen Zusatzbeitrag. Wie viel bereits eingezahlt wurde, oder ob in der Vergangenheit schon Leistungen der Krankenkasse in Anspruch genommen wurden, ist im Krankheitsfall unerheblich: Alle gesetzlich Versicherten besitzen im Falle einer Krankheit den gleichen Leistungsanspruch.

Um die medizinische Versorgung ihrer Mitglieder zu gewährleisten, schließen GKVen Verträge mit Institutionen und Organisationen ab, so z.B. mit den Kassenärztlichen Vereinigungen oder den Ärzte- und Apothekerverbänden. Der GKV-Spitzenverband setzt sich auf Bundes-, aber auch auf europäischer und internationaler Ebene für die Interessen der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen ein und gestaltet die Rahmenbedingungen bezüglich Qualität und Ökonomie einer patientengerechten Versorgung.

Die private Krankenversicherung (PKV)…

kann im Rahmen einer Zusatzversicherung Mehrleistungen abdecken oder als vollwertige Krankenversicherung als Ersatz der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden. Letzteres gilt in etwa für jeden zehnten Deutschen: 8,7 Mio. Versicherte sind einer PKV angehörig.

Die private Krankenversicherung als Ersatz der gesetzlichen Krankenversicherung steht allen Angestellten ab einem bestimmten Jahreseinkommen, Beamten und Selbstständigen zur Verfügung. Die zu zahlenden Beiträge sind abhängig vom gewählten Versicherungsumfang, Gesundheitszustand und Alter. Ärzte müssen sich bei der Rechnungslegung nach der Behandlung privat versicherter Personen an die GoÄ (Gebührenordnung Ärzte) halten. Die Interessenvertretung der PKV nennt sich PKV-Verband.

Versorgung von Patient:innen im deutschen Gesundheitssystem einfach erklärt

Ambulante Versorgung

Einzelpraxen

Über 50 % der niedergelassenen Ärzte arbeiten in einer Einzelpraxis. Der Vorteil: Entscheidungen bezüglich der Organisation und der medizinischen Ausrichtung liegen allein beim Praxisinhaber, so dass lange Abstimmungsprozesse entfallen. Kooperationen mit anderen Ärzten und Praxen sind durch Praxisgemeinschaften oder Praxisnetze möglich.

Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) (früher Gemeinschaftspraxis)

In einer BAG arbeiten mehrere Ärzte gemeinsam in einer Praxis. Sie zeichnet sich u.a. durch gemeinsame Patientenbehandlung, Abrechnung, Räume, Praxiseinrichtung und Beteiligung unternehmerischer Risiken aus. Das Personal, wie beispielsweise die medizinischen Fachangestellten, arbeitet im Auftrag aller in der BAG eingegliederten Ärzte.

Praxisgemeinschaft

Die Praxisgemeinschaft ähnelt der BAG, jedoch mit dem Unterschied, dass jeder Arzt einen eigenen Patientenstamm aufweist, Patienten also nicht gemeinsam versorgt werden. Das bedeutet, die Abrechnung der Leistungen erfolgt separat, wodurch die Ärzte wirtschaftlich eigenständig sind, jedoch Räume und Einrichtung gemeinsam nutzen.

Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)

Vertragsärzte in Anstellung gleicher und/oder verschiedener Berufsgruppen sind gemeinsam in einem MVZ tätig, um eine umfassende ambulante Versorgung von Patienten an einem Ort zu ermöglichen.

Praxisnetze

Der Zusammenschluss von Vertragsärzten und Psychotherapeuten in einem Praxisnetz dient in erster Linie dem Austausch untereinander. Die Beteiligten profitieren von dem gegenseitigen Know-how oder ggf. von besseren Konditionen bei gemeinsamen Beschaffungen, bleiben ansonsten jedoch vollkommen selbständig.

Stationäre Versorgung

Die stationäre Versorgung von Patient:innen findet in Krankenhäusern statt. In den meisten Fällen werden hier gesetzlich sowie privat Versicherte behandelt. Die Träger großer Krankenhäuser sind häufig Länder und Gemeinden, es gibt jedoch auch konfessionelle und gemeinnützige Kliniken, die z.B. von der Kirche getragen werden, sowie privat geführte Krankenhäuser.

Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen

Die Interessen der Patient:innen werden von den Patientenorganisationen vertreten. Weiterhin unterstützen und beraten sie Patient:innen bei gesundheitspolitischen Fragen. Auch Selbsthilfegruppen sind eigenverantwortliche Zusammenschlüsse, um sich gegenseitig, z.B. im Falle chronischer bzw. psychischer Probleme oder bei Suchtkrankheiten, zu helfen.

Telemedizin

Telemedizin ermöglicht es den Ärzten in der ambulanten Versorgung unter Einsatz moderner Technologien medizinische Leistungen anzubieten. Via einer Online-Sprechstunde kann ein Mediziner in vielen Fällen eine Diagnose stellen, eine Krankschreibung ausstellen und an Patienten verschicken. In Zukunft soll Telemedizin ein fester Bestandteil der medizinischen Versorgung der Bevölkerung in Deutschland werden.